Keynote-Lecture: Musikalische Globalisierungsprozesse als Begegnungsfeld ethnomusikologischer und musikhistorischer Forschung

Britta SWEERS, Universität Bern

Die moderne Globalisierungsdebatte war lange Zeit auf die verdichteten Prozesse (cf David Held et al. 1999/2003) der vergangenen Jahrzehnte ausgerichtet. Im Mittelpunkt der Diskurse stand dabei vor allem die westlich geprägte Dominanz globaler Netzwerke – sowohl auf kunstmusikalischer Ebene wie auch hinsichtlich des popularmusikalischen Mainstreams. Ein erweiterter Blick auf historische Globalisierungsprozesse enthüllt jedoch eine andere Musikgeschichte: Historisch-global betrachtet hat der Westen erst seit relativ kurzer Zeit (etwa seit dem 16./17. Jh.) eine zentrale Rolle in musikalisch-globalen Strömungen gespielt. Die stärksten musikalisch-globalen Bewegungen fanden beispielsweise zuvor eher im pazifischen und (süd-) asiatischen Raum statt.

Dieser Perspektivenwechsel verlangt in der Auseinandersetzung mit den Quellen sowohl ein musikhistorisches als auch ein ethnomusikologisches Wissen. Wie kann eine mögliche Zusammenarbeit der beiden Fächer hier aussehen? Wie in diesem Vortrag argumentiert wird, liegt der fachliche Unterschied in der Gegenwart nicht so sehr in den gegensätzlichen Ausrichtungen auf nicht-westliche versus westliche Musiktraditionen oder etwa Kunstmusik versus Volks- oder Popularmusik. Vielmehr repräsentieren historische Musikwissenschaft und Ethnomusikologie vor allem unterschiedliche methodische Ansätze und ein jeweils anderes Quellenverständnis. Wie anhand von Beispielen aus der Berner Unterrichtspraxis erläutert werden soll, kann eine gemeinsame dialogische Auseinandersetzung über gemeinsame Forschungsgegenstände hier zu einem erweiterten Erkenntnisgewinn für beide Seiten führen.

Biographische Notiz

Britta Sweers ist Professorin für Kulturelle Anthropologie der Musik und Direktorin des Center for Cultural Studies an der Universität Bern. 1999 Promotion (Universität Hamburg); 2001-2003 Hochschulassistentin, 2003-2009 Juniorprofessorin für Ethnomusikologie/ Systematische Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Zentrale Forschungsthemen sind u.a. Revival und Transformation traditioneller Musiken (angloamerikanische Regionen und Nordosteuropa), Musik und Politik und angewandte Ethnomusikologie.