Das biblische Melodram in Wien (1800–1820)
Das biblische Melodram in Wien (1800–1820)
DOC-Stipendium FA442004 der ÖAW
Projektlaufzeit: 2015–2018
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Michele Calella
Projektmitarbeiterin: Dott.ssa Barbara Babic
Zwischen 1800 und 1830 erfreute sich keine Bühnengattung im Pariser, Wiener und deutschen Boulevard bzw. Vorstadttheater einer solchen Beliebt- und Berühmtheit wie das Bühnenmelodram. Im Gegensatz zum meist einaktigen und auf mythologischem Sujet basierten Melodram des 18. Jahrhunderts war diese Art ein regelrechtes mélodrame à grand spectacle, in welchem der Aspekt des Spektakulären durch die Handlung, die Deklamation des Textes, durch die Bühnenmaschinerie und in der Musik verwirklicht wurde. Diese Werke, welche in Paris große Erfolge feierten, wurden bald im deutschsprachigen Raum, zunächst in Wien, rezipiert. Die Libretti wurden ins Deutsche übersetzt und dazu wurde meistens neue Musik von verschiedenen Kapellmeistern komponiert. Die „melodramatische“ Musik löst in diesen Werken nicht nur die Aufgabe, verschiedene musiktheatralische Nummern zu verbinden, sondern spielt eine zentrale Rolle im Aufbau der dramatischen Spannung und hat die Funktion, das Geschehen auf der Bühne zu intensivieren.
Der Schwerpunkt meiner Dissertation liegt vor allem auf der Entwicklung und Verbreitung des biblischen Melodrams im deutschsprachigen Raum, einem Forschungsbereich, dem bis heute noch zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Unter den vielen Melodram-Sujets dieser Zeit – u.a. historische, familiäre, phantastische Handlungen – tritt besonders die Strömung des biblischen Melodrams, in dem sich die heilige Ebene biblischer Geschichten mit dem Profanen des Theaters verbindet, hervor. Die intensivere Beschäftigung mit dem biblischen Melodram eröffnet zwei umfangreiche Forschungsfelder, einerseits die Frage nach der Bearbeitung des französischen Repertoires und nach der konkreten Umsetzung für die deutschsprachigen Bühnen, und andererseits die Nähe der Gattung zu unterschiedlichen Erscheinungsformen geistlicher Musiktraditionen wie dem Oratorium, dem religiösen Drama, der Kirchenmusik.
Mein Forschungsprojekt soll die ganze Entwicklung dieser Gattung aufzeigen, von den ersten Beispielen (Salomons Urtheil und Saul König in Israel in den beiden Melodramversionen von Ignaz Ritter von Seyfried und E.T.A. Hoffmann) über den Gipfel ihres Erfolges (Seyfrieds Abraham, Salomonäa und ihre Söhne, Noah) bis hin zum Rückgang der Popularität, welcher teilweise durch die geistliche Theaterzensur in Wien bewirkt wurde. Die Existenz unterschiedlicher Quellen (Partituren, Libretti, Regiebücher, Rezensionen) und die Bedeutung als damalige echte Massenphänomene besonders in der deutschsprachigen Kulturszene, legen es nahe, dieses bis jetzt noch wenig erforschte Gebiet zu erhellen.