Neue Musik und deutschsprachiges Kino: 1913–1933
Neue Musik und deutschsprachiges Kino: 1913–1933
FWF Lise-Meitner Projekt M 1551
Laufzeit: 2013–2015
Leitung: Dr. Francesco Finocchiaro
Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen musikalischer Moderne und deutschem Film setzt ungewöhnliche historiographische und analytische Methoden voraus: Sie beschreitet dabei keinen der üblichen Forschungswege, sondern einen bisher nahezu unerschlossenen Weg. Angesichts mancher grob vereinfachender Behauptungen über das Thema – »die Musik hat keine bemerkenswerten strukturellen Auswirkungen auf die Entwicklung des Films gehabt« (L. Prox), oder »die Geburt des neuen Mediums hat in der Geschichte der Musik so gut wie keine Spuren hinterlassen« (H. Emons) – wird es erstaunen, zu entdecken, dass die Repräsentanten der musikalischen Moderne tatsächlich eine fruchtbare und konsequenzenreiche Beziehung zur zeitgenössischen Kinematographie hatten. Diese Beziehung war durchaus komplex und widersprüchlich, und in ihr hat der Film oft auch eher die Rolle eines ästhetischen Bezugspunktes gespielt, denn in der konkreten Praxis in Erscheinung zu treten. Dennoch können zahlreiche Beweise für diese Beziehung erbracht werden.
Das vorliegende Forschungsprojekt untersuchte ein breites Spektrum an Zusammenhängen zwischen musikalischer Moderne und deutschem Film, von der Autorenfilm-Epoche (1913) bis zur Machtergreifung Hitlers (1933). Ein Korpus von Originalkompositionen, Filmwerken und ästhetischen Schriften wurde analysiert. Durch diesen großzügigen Zugriff auf den Forschungsstoff konnte herausgearbeitet werden, inwieweit sich Komponisten österreichisch-deutscher Herkunft – von Alban Berg bis Paul Hindemith, von Kurt Weill bis Hanns Eisler – mit dem Film als ästhetischem Phänomen und auch mit der „Komposition für den Film“ auseinandersetzten.
Die nicht zufällige Begegnung der musikalischen Moderne mit der Kinematographie gehört in den Kontext des Phänomens der Medienkonkurrenz. Dieser Begriff weist auf das Spannungsfeld zwischen neuen Medien – vor allem Film und Radio – und alten Künsten hin, und zwar hinsichtlich institutioneller, soziokultureller sowie kompositorischer Aspekte. In dieser Atmosphäre wechselseitiger medialer Interferenzen und radikaler ästhetischer Gegenüberstellungen fand das Aufeinandertreffen von Komponisten der musikalischen Moderne und Film statt. Die Begegnung mit der Kinematographie war einer der Wege der Avantgarde, um die musikalische Sprache, die musikalischen Formen und die Theorie der künstlerischen Schöpfung kritisch und selbstreflexiv in Frage zu stellen. Die musikästhetische Debatte über den Film und die neuen Medien war immer auch eine Debatte über die experimentellen Möglichkeiten in der musikalischen Moderne. Das filmische Paradigma stellt somit einen der primären Vektoren der Revolution der Avantgarde dar.
Presseinformationen
Der Stummfilm war nie stumm uni:view magazin, 20. Mai 2015
Klassische Filmmusik: Die Vindobona Collection der Universal-Edition, "Österreichische Nationalbibliothek Magazin", 2015/2, S. 20.
Publikationen
Musical Modernism and German Cinema from 1913 to 1933, Basingstoke, Palgrave Macmillan, 2017 [in press]
Modernismo musicale e cinema tedesco nel Primo Novecento, Lucca, LIM, 2017
The Vindobona-Collection of the Universal-Edition, «Music and the Moving Image», IX n. 3, 2016, pp. 38–56
Die Vindobona-Collection der Universal-Edition, Phaidra (Permanent Hosting, Archiving and Indexing of Digital Resources and Assets), Universität Wien, ID phaidra.univie.ac.at/o:401720
La musica delle immagini. Sulla teoria del 'paesaggio musicale’ di Sergej Ejzenštejn, in L’immagine musicale, edited by P. Gozza, Milan, Mimesis, 2015, pp. 273–303
Sergei Eisenstein and the Music of Landscape: The Mists of 'Potemkin’ between Metaphor and Illustration, in The Sounds of Silent Films. New Perspectives on History, Theory and Practice, edited by C. Tieber and A. K. Windisch, Basingstoke, Palgrave Macmillan, 2014, pp. 172–191
L’interludio filmico della 'Lulu’, «Nuova Secondaria», XXXI, 2014 n. 10, pp. 73–79.
Vorträge
Edmund Meisel - Der Filmkomponist, Österreichische Gesellschaft für Musik, Vienna, 23 Juni 2015
The Vindobona-Collection of the Universal-Edition, International Conference Music and the Moving Image, New York University Steinhardt, 20–30 Mai 2015
«Organic music vs. mechanical music». A metaphorical antithesis in the debate on European music between the two World Wars, International Conference Modernist Musics and Political Aesthetics, University of Nottingham, 8–10 April 2015
From Intertextuality to Intermediality? The Film Interlude of ‘Lulu’ between Music Theatre and Cinema, International Conference Intertextuality in Music since 1900, Universidade Nova de Lisboa, Lisbon, 6–7 March 2015
“Im Anfang war der Rhythmus”. Declinazioni di una metafora musicale nella teoria e nella prassi cinematografica degli anni Venti, International Conference Music and Figurative Arts in the Twentieth Century, Centro Studi Opera Omnia “L. Boccherini”, Lucca, 13–15 November 2014
Filmkomposition zwischen Avantgarde und Routine: die Vindobona-Collection der Universal-Edition, Wien-Modern-Symposion Musik für Film und bewegte Bilder, Vienna, 10–11 November 2014
“Im Anfang war der Rhythmus”. Zu einer musikalischen Metapher in der Filmtheorie und in der kinematographischen Praxis der 20er Jahre, Institute of Musicology, University of Vienna, 21 May 2014
Music of the Images. On Sergej Ejzenštejn’s „Music of Landscape“ Theory, International Conference Silent film sound: history, theory and practice, Christian Albrechts University, Kiel, 23 February 2013.