Nazarener und die Alte-Musik-Bewegung
Nazarener und die Alte-Musik-Bewegung
FWF-Projekt J 4053 (Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium mit Rückkehrphase)
Ausländische Forschungsstätte: Deutsches Historisches Institut Rom (2017–2018)
Projektlaufzeit: 2017–2019
Projektleitung: Dr. Markéta Štědronská
1810 ließ sich die Malergruppe der Nazarener in Rom nieder, um dort an einer Erneuerung der Kunst zu arbeiten. Ihr Anliegen war es, den Geist der altitalienischen und altdeutschen Malerei wiederzubeleben und so die verlorengegangene Einheit von Kunst und Religion wiederherzustellen. Dass in diesem Kunstprogramm neben der Poesie auch der Musik eine wichtige Rolle zuteil wurde, blieb bisher weitgehend unberücksichtigt, zumal über die Beziehung der Nazarener zur Musik, insbesondere zu der sogenannten Alten Musik, nur wenig bekannt war. Das Projekt, dessen Ergebnisse kumulativ veröffentlicht werden sollen, setzt sich zum Ziel, die nazarenische Alte-Musik-Rezeption zu erhellen und dadurch die Rolle der Musik im Kunstkonzept der Nazarener neu zu bestimmen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Jahre 1810–1830, d. h. die Blütejahre des nazarenischen Wirkens in Rom. Die Beziehungen der Nazarener zur Alten Musik werden auf zwei Ebenen untersucht: a) auf der Ebene ihrer theoretischen Kunstreflexionen (Briefe, theoretische Schriften); b) auf der Ebene des Erlebens und praktischen Ausübens der Alten Musik in Rom. Briefe, Erinnerungen der Nazarener und ihrer Zeitzeugen wie auch musikalische Quellen (u. a. aus dem Archiv der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Rom) ermöglichen, die sehr enge Einbindung der Nazarener in die vorcäcilianische Alte-Musik-Renaissance in Rom zu rekonstruieren und dabei den konfessionellen Pluralismus dieser Bewegung ans Licht zu bringen (einerseits Kontakte zum protestantischen Kreis um den preußischen Gesandten Christian Carl Josias von Bunsen, andererseits zum katholischen Umfeld der sixtinischen Sänger und zum Palestrina-Apologeten Giuseppe Baini).
In der zweiten Phase des Projekts wird hingegen die nazarenische Thematik im Kontext der Wiener Musikkultur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts untersucht. Anhand von Quellen zur Wiener Musikgeschichte – vor allem der Kunstkritiken des Musikschriftstellers August Wilhelm Ambros sowie den Kunstkritiken und -essays aus der Zeitschrift Blätter für Musik, Theater und Kunst (red. von Leopold Alexander Zellner) – soll aufgezeigt werden, dass die Orientierungsmuster der Alte-Musik-Renaissance im Wien der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht so sehr spezifisch musikalischer (deutscher Cäcilianismus) als vielmehr kunstgeschichtlicher Natur (Nazarenismus) waren.
Während in der bisherigen Diskussion rund um den musikalischen Historismus die Diskontinuität musikhistorischer und kunstgeschichtlicher Entwicklung postuliert wurde, will das vorliegende Projekt gerade durch seinen interdisziplinären Ansatz neue Impulse in diese Diskussion einbringen.