Individualgeschichte ostafrikanischer Musiker-Komponisten

FWF Projekt P 23834 ; Projektlaufzeit: 2011–2013
FWF Projekt P 26080; Projektlaufzeit: 2013–2014

Projektleiter: Doz. Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Kubik

Das Projekt hat die systematische Erforschung und Dokumentation von Lebensgeschichten und Entwicklung der künstlerischen Arbeit von einer Zahl von Instrumentalisten und Komponisten des 20./21. Jahrhunderts in einem großen Gebiet Ostafrikas, reichend von Uganda über Tansania und Malawi bis Mosambik, zum Ziel. Von Kubik und anderen Mitgliedern des Teams früher bereits gesammeltes Material soll durch neue Forschungen erweitert werden. Ältere Musiker-Komponisten, zu denen der Kontakt abgerissen ist, sollen wiederentdeckt und Geschichten von Musikern, die früher aufgenommen worden waren aber nicht mehr leben geschrieben werden. Es handelt sich hier wohl um das erste ethnomusikologische Unternehmen dieser Art im subsaharischen Afrika. Wir erwarten uns dabei (a) neue Einsichten zu gewinnen in die kompositorischen Techniken, die diese kreativen Individuen im Verlauf ihres Lebens verwendet haben, und (b) ostafrikanischen Musiker-Komponisten den ihnen zustehenden Platz im internationalen Panorama kreativer Musiker-Persönlichkeiten zu geben, unabhängig davon, ob sie ihre Werke zu Papier gebracht haben oder sie nur mündlich weitergeben.

Im Laufe der im ersten Teil des Projekts durchgeführten biographisch orientierten Leben-und-Werk Dokumentationen stellte sich heraus, dass viele dieser Künstler eigentlich „kulturelle Dissidenten” sind, Auswanderer aus der herkömmlichen kulturellen Landschaft ihrer Gemeinschaften, und dass sie sich gerade mittels ihrer Kunst einen Ausbruch erkämpft haben. Durch ihre Außergewöhnlichkeit – wenn sie anderswo Anerkennung findet – werden sie letzthin dann auch in ihren Herkunfts-Gemeinschaften anerkannt. Mittels ethnisch konzipierter „kultureller Identität” sind sie nicht beschreibbar.

Hier drängte sich die Frage nach den Inspirationsquellen im Werden dieser Künstler auf. Anregungen kamen in vielen Fällen durch Reisen und Schulungen in anderen Gebieten, auch anderen Ländern, einschließlich Arbeits-Migration, neben den „virtuellen” Anregungen über Schallplatten, Rundfunk etc. Bei einigen spielte intra-familiäre Identifikation eine Rolle, nicht selten mit einem Verstorbenen, der dies wünschte; auch Trans-Gender-Identifikation kommt vor, zum Beispiel eines Mädchens mit der Musik ihres Vaters. Auch dies sind Formen „kultureller Dissidenz”, da sie lokalen Erwartungsschemen widersprechen.

Wir entdeckten, dass sich die prinzipiellen Inspirationsquellen und Identifizierungen mit Vorbildern im Werdegang der von uns untersuchten Künstler als N e t z w e r k beschreiben lassen. Unser Ansuchen zielt auf die systematische Erfassung solcher Netzwerke ab. Wir wollen spezfische Rekonstruktionen der frühen Kontakte unserer Künstler durchführen, manchmal durch Reisen mit ihnen oder ihren Verwandten an die entsprechenden Orte, manchmal zu Personen mit entsprechendem Nachlaß, ebenso durch Sammeln medialer Objekte bzw. Artefakte, wie 78 r.p.m Schallplatten, Kassetten etc.  Die Erfassung solcher Inspirations-Quellen eröffnet ganz neue Bereiche der Individual-Geschichte der Musiker/Komponisten Ost-und Südostafrikas im Wandel innovativer Strömungen aller Zeiten.