Musik und Ritual am Bonner Hof der Kölner Erzbischöfe im ausgehenden 18. Jahrhundert

DOC-Stipendium der ÖAW
Projektlaufzeit: 08/2020–09/2023
Leitung: Anna Sanda, M.A. M.A.
Betreuerin: Univ.-Prof. Dr. Birgit Lodes

 

Welche Praktiken und Erscheinungsformen der katholischen Liturgie und des herrscherlichen Zeremoniells blieben übrig, als die barocke katholische Frömmigkeitsausübung im Jahrhundert der Aufklärung ihre Relevanz Schritt für Schritt verlor? Welchen Handlungsspielraum hatte ein geistlicher Kurfürst, um notwendige rationale Reformpolitik durchzuführen und gleichzeitig seine geistlich-weltliche Macht in stabiler sozio-politischen Ordnung zu bewahren? Welche Rolle spielte dabei – durch ihren regelmäßigen, symbolischen und performativen Vollzug – die liturgische Musik?

Das Dissertationsprojekt untersucht diese Fragen im Kontext der liturgischen Musikpraxis der Bonner Hofkirche in den letzten fünfzehn Jahren der kurfürstlichen Hofhaltung. Während der Regierungszeit des Kurfürsten Maximilian Franz Habsburg-Lothringen (1784–1794) kam es am Bonner Hof zu einer vielfältigen Bereicherung musikalischer Praktiken. Hinsichtlich der Kirchenmusik ist dies durch die Überlieferung umfangreichen Aufführungsmaterials belegt: Der fast vollständig erhaltene Bestand vokaler Kirchenmusik (ca. 500 Signaturen) umfasst teils aus dem Nachlass der vorangegangenen Kurfürsten stammende und weiter verwendete Noten, sowie teils während der Amtszeit von Maximilian Franz neu erworbene Musikalien. Diese Quellenlage ermöglicht einen tiefen Einblick in die musikalische Gestaltung der in der Hofkirche gehaltenen Liturgie seit der Neuerrichtung des Kirchenbaus 1777 bis zur Auflösung der Hofhaltung 1794. Weitere Quellen lassen Rückschlüsse über die Dienstaufgaben der Hofmusiker und Hofsängerinnen, Lebenswege einzelner Hofbediensteten, sowie über die räumlichen und finanziellen Bedingungen der Kirchenmusik zu.

Den Ausgangspunkt des Projekts bildet die jüngst erfolgte Erfassung des genannten Aufführungsrepertoires (im Rahmen des FWF Projekts Die Kirchenmusikbibliothek von Maximilian Franz), die zu einer ersten Rekonstruktion der liturgischen Musikpraxis (MA-Arbeit, Anna Sanda) verhalf. Darüber hinaus war der Bonner Hof Dienstort Ludwig van Beethovens. In diesem Zusammenhang baut das Projekt auf aktueller musikhistorischer sowie transdisziplinärer Forschung zu Beethoven auf.

Ziel des Dissertationsprojektes ist es, nicht nur die Spezifika der liturgischen Musikpraxis der Bonner Hofkirche in ihren liturgisch-musikalischen Aspekten aufzuzeigen, sondern mehr noch die konkreten Gründe ihrer Gestaltung im Spannungsfeld von Religion, Herrschaft und Staatskirchenpolitik.