MUSIK NATUR WISSENSCHAFT. Eine Ringvorlesung

montags um 18:00 bis 19:30 Uhr im Hörsaal 1
Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien
(160072 VO, Christoph Reuter)


Montag, 8. Oktober 2012:

Kathrin Schlemmer (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt):
Absolutes Gehör - Charakteristika, Entwicklung und Bedeutung einer mysteriösen Fähigkeit

Absolutes Gehör - die Fähigkeit einzelne Töne ohne Referenz auf andere Töne zu benennen - wird von vielen Musikern als Anzeichen besonderer musikalischer Begabung bewertet. Psychologische Forschung hat dem Phänomen dagegen etwas von seinem Mythos genommen. Im Vortrag werden ältere und aktuelle Forschungsansätze vorgestellt, die sich mit der Frage beschäftigen, was Absoluthörer besonders macht. Dabei wird sich zeigen, dass absolutes Gehör für das Musikhören und Musizieren sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein kann. Von großem Interesse für Musiker und Musikforscher ist die Frage nach der Entstehung des absoluten Gehörs. Die wichtigsten Theorien dazu sowie empirische Belege für die Rolle der Vererbung und des Lernens werden diskutiert. Schließlich werden auch neuere Befunde zu latenten Formen des absoluten Gehörs sowie deren Relevanz für das Musizieren thematisiert.
(-> Videomitschnitt vom 8. Oktober)
(-> Unterlagen zum Vortrag (passwortgeschützt))


Montag, 15. Oktober 2012:

Werner Goebl (Institut für Wiener Klangstil, Wien):
Quantitative Zugänge zur musikalischen Interpretation und Performance-Forschung

Die musikalische Interpretation bezeichnet unter anderem die klangliche Realisation eines Notentextes durch Musiker, die uns meist in Form von einer Klangaufzeichnung zur Verfügung steht. Die quantitative Performance-Forschung untersucht den Zusammenhang zwischen den Ausdrucksparametern (Tempo, Timing, Lautstärkegestaltung, Artikulation, etc.) und musikalischen Partitur (sofern eine existiert). In meinem Beitrag gebe ich nicht nur einen Überblick über einige quantitative Ansätze zur musikalischen Interpretation, sondern auch einen Einblick über eigene Forschungen in die Bewegungsabläufe während des Klavierspiels, die mit Hilfe von Motion Capture Systemen analysiert werden. 
(-> Videomitschnitt vom 15. Oktober)
(-> Unterlagen zum Vortrag (passwortgeschützt))
(-> Projektseite Dr. Werner Goebl)


Montag, 22. Oktober 2012:

Andre Rupp & Martin Andermann (Uniklinik Heidelberg):
Tonhöhe und Klangfarbe - Wahrnehmung und physiologische Repräsentation
(-> Videomitschnitt vom 22. Oktober)


Montag, 29. Oktober 2012:

Matthias Bertsch (Universität für Musik und Darstellende Kunst, Wien):
Wenn musizieren ungesund wird. Sexten, Drugs & Philharmonics

Kaum ein Job ist so hart wie jener eines klassischen Musikers zur heutigen Zeit. Im permanenten Vergleich mit perfekt bearbeiteten CD-Aufnahmen ist jede 1/16tel eine Herausforderung im exakten Moment mit dem erwarteten perfekten Klang zu spielen. Stundenlange Höchstleistung an guten wie an schlechten Tagen. Die Konsequenz für den Solisten im Rampenlicht ist gesundheitsgefährdeter Stress, der oft (30%) mit Suchtmitteln bekämpft wird. Dazu kommen noch ungesunde Spielhalten von Geigern oder Flötisten, welche fast alle Musiker (80%) im Laufe des Berufslebens zum physischen Wrack machen. Der Vortrag zeigt beispielhafte Forschungsarbeiten aus dem Bereich der Musikphysiologie, Musikpsychologie und stellt psychophysiologische Messgeräte vor. Darüber hinaus werden die Aktivitäten der Österreichischen Gesellschaft für Musik und Medizin (OeGfMM.at) vorgestellt, und die Wiki-Plattform www.muge.at als Geheimtipp präsentiert.
(-> Videomitschnitt vom 29.Oktober)


Montag, 5. November 2012:

Stefan Weinzierl (Technische Universität, Berlin):
Raum - Instrument - Interpretation - Aufführungspraxis

Das klangliche Erscheinungsbild von Musik bildet sich durch ein komplexes Zusammenwirken von Instrumentarium und Spielweise mit der Akustik des Aufführungsraums. Der Vortrag stellt heutige Aufführungskonventionen den Bedingungen um 1800 gegenüber und unterlegt diese Analyse mit Ergebnissen aktueller Forschungen zur Raumakustik historischer Konzerträume, zur Instrumentenakustik und Besetzungsstärke historischer Klangkörper und zur Interaktion zwischen Raumakustik und Interpretation.
(-> Videomitschnitt vom 5.November)


Montag, 12. November 2012:

Richard von Georgi (Universität Gießen):
Musikpräferenz als Ergebnis unserer Persönlichkeit und der Anwendung von Musik zur Emotionsmodulation

Musikpräferenzen stellen bis heute eine Thematik dar, die immer wieder diskutiert wird. Vielleicht liegt es unter anderem daran, dass unsere persönlichen Vorlieben und Abneigungen immer auch ein Teil der eigenen Persönlichkeit und Entwicklung darstellt. Während Persönlichkeit bereits des längeren im Zusammenhang mit Musikpräferenzen diskutiert wird, spielt die Erforschung der Anwendung von Musik im Alltag bisher eine untergeordnete Rolle. Obwohl einige wenige Studien die Wichtigkeit bestätigen, liegen bisher keine Arbeiten zum Zusammenhang zwischen der Anwendung von Musik und klassischen Persönlichkeitsdimensionen vor. Im Rahmen des Vortrags soll eine Verbindung zwischen den Bereichen "Musikpräferenz", "Persönlichkeit" und "Anwendung von Musik im Alltag" hergestellt und neuere Forschungsbefunde präsentiert werden. Hierbei zeigt sich, dass die Anwendung von Musik eine wichtige Mediatorfunktion zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Musikpräferenzen und Persönlichkeit darstellt.


Montag, 19. November 2012:

Peter Donhauser (Technisches Museum, Wien):
Klangkonzepte elektronischer Instrumente. Generatoren, Klangsynthese und alternative Tonquellen

Seit der ersten Versuche, Elektrizität für die Tonerzeugung zu nutzen, zeichnete sich ab, dass mit diesen Geräten, die geradezu unbeschränkte Klangentwicklung versprachen, neue musikalische und konstruktive Konzepte möglich wären. Wir blicken mittlerweilen auf eine etwa 120 jährige Entwicklung zurück, die nicht nur neue Instrumente, neue Spielinterfaces und neue Klangfarben brachte, sondern vor allem musikalische und kompositorische Konzepte, die ohne diesen Mitteln nicht denkbar wären. Klangsynthese, gesampeltes Tonmaterial und unkonventionelle Ideen für Tonquellen liefern Material für neue und experimentelle Musikformen.
(-> Videomitschnitt vom 19.November)
(-> Ringvorlesungs-Folien (passwortgeschützt))
(-> Texte von Bode (passwortgeschützt))
(-> erweiterte Hornbostel-Sachs-Systematik (passwortgeschützt))


Montag, 26. November 2012:

Daniel Muzzulini (Universität Zürich):
Farbe, Ton und Klangfarbe

Die fundamentalen Kategorien Ton, Farbe, Raum, Zeit und Bewegung scheinen sich zu verflüchtigen, wenn wir versuchen, ihr Wesen zu ergründen. Abgeleitete Begriffe wie Zeitraum, Raumklang, Klangfarbe, Farbton, Tonraum und Raumzeit sind deshalb von Mehrdeutigkeiten und Unschärfen ebenfalls nicht verschont. Das ungleiche französisch-deutsche Metaphernpaar Timbre/Klangfarbe hat eine „abenteuerliche Geschichte" (Christoph Reuter) und ist umgeben von weit gefächerten Theorien und spekulativen Korrespondenzen.Vor diesem Hintergrund sind Descartes' und Newtons Visualisierungen der Töne und Farben als frühe psychophysikalische Modelle zu verstehen, die eine reichhaltige fächerübergreifende Theoriedynamik auslösen. Unser Augenmerk gilt dabei der Rolle der Geometrie bei der Gewinnung wahrnehmungspsychologischer Paradigmen und Metaphern.
(-> Videomitschnitt vom 26.November)
(-> Powerpoint-Präsentation (passwortgeschützt))
(-> Bibliographie (passwortgeschützt))
(-> Originalzitate (passwortgeschützt))
(-> Flowcharts (passwortgeschützt))


Montag, 3. Dezember 2012:

Gregor Widholm (Institut für Wiener Klangstil, Wien):
Diagnose und Therapie für Musikinstrumente

In den letzten 20 Jahren gab es in der Musikinstrumentenakustik vor allem durch die exponentiell gestiegene Rechenleistung nach der Jahrtausendwende beachtliche Fortschritte. Schlug man sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch mit theoretischen Modellen herum, die zahlreiche Beschränkungen und stark verallgemeinernde Annahmen beinhalteten, so kann man heute bereits mit praxistauglichen Modellen arbeiten, welche die für Musiker und Musikerinnen so wichtigen Parameter wie z.B. Ansprache und Spielbarkeit trotz ihrer physikalischen Komplexität mit einbeziehen. Nicht nur "Customizing" sondern auch das Klonen bestimmter Instrumente ist bereits möglich. Anhand von konkreten Beispielen bei Blas- und Streichinstrumenten werden die neuesten Methoden vorgeführt bzw. beschrieben und ein Überblick über den Stand der Technik gegeben.
(-> Videomitschnitt vom 3.Dezember)


Montag, 10. Dezember 2012:

Ferdinand Fuhrmann (Music Technology Group, Pompeu Fabra Universität, Barcelona / Auphonic.com, Graz):
Automatische Instrumentenerkennung aus Musiksignalen - Hintergründe, Problematiken und Lösungsansätze im Kontext des maschinellen Hörens anhand eines entwickelten Prototypen

Angesichts der immer schneller wachsenden Menge an digitalen Medien ist eine effektive Datenverwaltung für unsere moderne Gesellschaft unerlässlich. In diesem Zusammenhang widmen wir uns dem Problem der automatischen Erkennung von Musikinstrumenten aus den Audiosignalen von Musikstücken.
Zieht man die Fähigkeiten des menschlichen Gehörs in Betracht, erscheint das angesprochene Problem trivial. Nach mehr als zwei Jahrzehnten intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema hat sich selbiges jedoch als hochkomplex erwiesen. Bis jetzt wurde noch kein System entwickelt welches auch nur annähernd an die Leistungen des menschlichen Gehörs herankommt.
In diesem Vortrag wird anhand einer eigens entwickelten automatischen Erkennungssoftware auf die Hintergründe, Problematiken und Lösungsansätze des Themengebietes eingegangen. Dabei wird der Einfluss der menschlichen Perzeption und Kognition, der musikalischen Akustik, sowie der Eigenschaften der Musik im Allgemeinen auf die Konzeption eines solchen Systems aufgezeigt. Schließlich werden aktuelle Ergebnisse präsentiert und mit denen vergleichbarer System verglichen. Dabei wird auch deutlich, dass die angesprochenen Probleme und Lösungsansätze nicht nur spezifisch für das hier behandelte Themengebiet gültig sind, sondern sich auf das gesamte Gebiet des maschinellen Hörens beziehen.
(-> Videomitschnitt vom 10.Dezember)


Montag, 17. Dezember 2012:

Reinhard Kopiez (Hochschule für Musik, Theater und Medien, Hannover):
Zwischen Sentograph und Meta-Analyse: Aktuelle Forschung aus dem Hanover Music Lab

Die Musikpsychologie hat in den letzten Jahrzehnten sehr viel zum Verständnis von Wahrnehmungsprozessen beim Musikhören beigetragen. Hierbei orientierte sich die Musikpsychologie stark an der kognitiven Psychologie. Dabei wurde jedoch vernachlässigt, dass Musikwahrnehmung nicht "körperlos" erfolgt und für viele Menschen an ein körperliches Miterleben gekoppelt ist, was sich im Tanzen oder auch im "Mitgrooven" zur Musik zeigen kann. In Übereinstimmung mit dem von Marc Leman entwickelten Paradigma der "Embodied music cognition" wird gezeigt, wie Projekte im Hanover Music Lab das Embodiment als Forschungsansatz realisieren. Hierbei spielt der  "Sentograph" (ein von Manfred Clynes entwickeltes Gerät zur Messung der psychophysischen Resonanz auf Musik) eine zentrale Rolle. Im zweiten Teil des Vortrags wird es weniger um Datenerhebung, als um theoriebildende Daten-Reanalyse gehen. Es werden Anwendungsbeispiele der beiden Methoden "Replikation" und "Meta-Analyse" gegeben, die zur Erzeugung von "gesichertem Wissen" eine zentrale Rolle in der empirischen Musikforschung spielen.
(-> Unterlagen zum Vortrag (passwortgeschützt))


Montag, 14. Januar 2013:

Monika Dörfler (Universität Wien, NuHaG):
Musik sehen und Mathematik hören - Wie moderne mathematische Methoden zur Analyse von Klang beitragen können und was die Mathematik aus den Klängen lernt.

Sound signals play a central role in human life and the manner sound is perceived is highly sophisticated, complex and context-dependent. Since the amount of sound data that are automatically stored, searched and processed, grows dramatically, there is also a growing need for understanding the inherent structures of sound and their implications for human listeners.
Ideally, an analysis tool should be able to render a representation that allows for visual display reflecting a user's acoustical impression.
In this talk we will describe several newly designed analysis tools, that render more sophisticated representations of sound signals than classical representations such as the short-time (or sliding window ) Fourier transform. In particular, firstly, we show how adaptivity in the transformation parameters can sharpen the visual display while assuring a perfect connection between signal and representation in the sense of invertibility. Secondly, we show how various Bayesian coefficient priors enable us to highlight particular structures by means of informed analysis.
(-> Videomitschnitt vom 14.Januar)
(-> Unterlagen zum Vortrag (passwortgeschützt))
(-> Projektseite: Structured Sparsity for Audio Signals)


Montag, 21. Januar 2013:

Hans Georg Feichtinger (Universität Wien, NuHaG):
Was den Klang im Innersten zusammenhält - Zeitfrequenz-Methoden aus mathematischer Sicht
(-> Videomitschnitt vom 21.Januar)


Montag, 28. Januar 2013:

Andreas Lehmann (Hochschule für Musik, Würzburg):
Gedächtnisleistung bei Pianisten: Fähigkeiten und Strategien

Auswendig lernen ist eine bewußte Tätigkeit, manchmal auch ein Nebenprodukt der intensiven Auseinandersetzung mit Musik, vor allem für Sänger und Pianisten. In den letzten Jahren hat es einige Forschung zum Expertengedächtnis und zur Vorbereitung von Aufführungen gegeben, wobei Musiker mit Wissenschaftlern kooperiert haben. Es gibt aber noch einige offene Fragen so zum Beispiel: Lernen manche Musiker schneller (müheloser) auswendig als andere? Hängt dies von den eingesetzten Strategien ab? Lassen sich mögliche Unterschiede durch relevante Übezeiten erklären? Im Vortrag werde ich Ergebnisse einer Laborstudie zum Auswendiglernen bei Pianisten vorstellen und darüber spekulieren, was man als Musiker im täglichen Leben aus den Ergebnissen lernen kann.