Musikkultur der Wiener Tschechen 1840-1939

FWF Projekt P 20098
Projektlaufzeit: 2008–2011

Leitung: tit. ao. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Theophil Antonicek 

Das Projekt „Musikkultur der Wiener Tschechen 1840–1939” gehört thematisch zur Erforschung der Musikkultur von Metropolen, einem der traditionellen Themen der Musikwissenschaft. Dieses wichtige Kapitel der Musikgeschichte Wiens ist völlig unbekannt, obwohl die Wiener Tschechen als die größte nationale Minderheit gegen 1900 ca. ein Fünftel der allen Bewohner Wiens bildeten. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich sowohl eine innere Vereinsstruktur als auch national motivierte kulturelle und politische Ziele. Die Einordnung solcher Minderheitskulturen sowohl in die Kultur der Metropole als auch in die eigene Kultur ist im Bezug auf Identität sehr kompliziert und man muss für jede nationale Gruppe eigene spezifische Kriterien wählen. Es fehlt bis jetzt die kritische Bewertung der ganzen Epoche des Musiklebens, das vor allem in den Vereinen, Chören und Kirchen konzentriert war. Bis 1918 wurde das Musikleben hauptsächlich von begeisterten Laien reflektiert, danach nur fragmentarisch auch von Musikern und Komponisten, nach dem 2. Weltkrieg aus politischen Gründen gar nicht mehr. Die „Zielgruppe” des Projektes sind die „Wiener Tschechen”, die nationalbewusste und koordinierte Enklave mit einer klaren Verbindung zur tschechischen Nationalen Wiedergeburt mit Prag als Zentrum. Dabei geht es um den Zeitraum der nationalen Konsolidierung der Tschechen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert (die „Tschechen in Wien” der Zeitalter des Barock, des Klassizismus und der frühen Romantik und ihre herausragenden kosmopolitischen Persönlichkeiten sind nicht Gegenstand des Projektes). Der kritischen Bewertung des Projektthemas soll eine ausführliche „Entdeckungsphase” der Archivmaterialen und Bearbeitung der Nachrichten aus Wien, die in der tschechischen (Musik)Presse und in der Presse der Wiener Tschechen zerstreut sind, vorangehen. Auf Grund dessen ist es möglich die Hauptziele des Projektes zu realisieren: 

1. Chronologische Übersicht über die Aktivitäten und Akteure der Musik der Minderheit;

2. Ordnung und Dokumentation der Musikalien in Archiven tschechischer Vereine in Wien;

3. ein Katalog der Kompositionen der tschechischen Komponisten in Wien;

4. ein Lexikon der tschechischen Komponisten und Musiker in Wien. 

Das vorliegende Projekt ist bemüht, bestehende Lücken, die in der tschechischen und österreichischen Musiklexikonliteratur, in den Musikgeschichten beider Länder und auch in der Dokumentation der Archive der Wiener Tschechen bestehen, auszufüllen. Die Geschichte der Wiener Tschechen ist ein gemeinsames Erbe beider Republiken und die Erforschung muss in tschechischen und österreichischen Bibliotheken und Archiven durchgeführt werden. Wichtig für die Realisierung ist die angeknüpfte Zusammenarbeit mit Archiven der Wiener Tschechen, wie z. B. dem Chor „Lumír” oder dem Schulverein „Komenský”, und mit der heutigen Presse der Wiener Tschechen. Mag. Viktor Velek besitzt durch seine eingehenden Forschungen zur Musik der Sorben (Wenden) in der Lausitz einschlägige Erfahrung. Er hat auch bereits größere Vorarbeiten zum vorliegenden Projekt geleistet und Ergebnisse in Aufsätzen publiziert. 


Viktor Velek: The Music Culture of the Czech Minority in Vienna 1840–1918. Artikel in der Zeitschrift Czech Music Quarterly 2-2009, hier veröffentlicht mit der Bewilligung der Zeitschrift (www.czech-music.net).