Vergleich von Timbre Spaces
Meta Timbre Space
Schon seit Stumpf (Stumpf 1890) und spätestens seit Licklider (Licklider 1951) ist die Multidimensionalität des Phänomens Klangfarbe bekannt. Aus der Fülle der verschiedenen Ansätze (Köhler 1909; Schmumann 1929; Albersheim 1939; Bismarck 1972) haben sich nach einer grundlegenden Studie von Grey (1975) die Timbre Spaces (TS) zur Klangfarbenbeschreibung durchgesetzt. In diesen sind die klangfarblichen Merkmale von Musikinstrumenten entlang der Raumachsen angeordnet. Dabei haben sich mit der spektralen (Schärfe bzw. Spectral centroid) sowie zeitlichen Makrostruktur (Einschwingvorgang, bzw. Hüllkurve) vor allem zwei Parameter als Standarddimensionen der Klangfarbe durchgesetzt (Caclin et al. 2005). Aufgrund ihrer Anschaulichkeit und Plastizität sind sie in den meisten Lehrbüchern der musikalischen Akustik und Systematischen Musikwissenschaft zu einem festen Bestandteil der Klangfarbendefinition geworden.
Da die meisten Studien jedoch auf (re-)synthetisierte Klänge jeweils gleicher Tonhöhe, Lautheit und perzeptiver Dauer reduziert sind, liegt der Schluss nahe, dass sich das Klangmaterial von Studie zu Studie stark unterscheidet. Auch bezüglich der Klangfarbendimensionen weichen die TS zum Teil voneinander ab.
Ergebnisse
Der Vergleich zeigt, dass die gleichen Instrumente, je nach Studie, zum Teil sehr unterschiedliche Positionen im Raum einnehmen. Bemerkenswert ist dies vor allem beim Vergleich der TS von Krumhansl (1989) und McAdams et al. (1995), da sie auf den selben Stimuli basieren
Die Ergebnisse zeigen, daß TS in dieser Form weder vergleichbar noch verallgemeinerbar und im Bezug auf die Wahrnehmung von Klangfarben nur sehr bedingt aussagekräftig sind. Es ist erstaunlich, dass trotz zum Teil identischer Stimuli so unterschiedliche Ergebnisse vorliegen. Mögliche Erklärungen sind v.a. Abweichungen in der Beurteilung durch die Versuchspersonen, unter Umständen bedingt durch divergente Abhörbedingungen, sowie das synthetische, jeweils in Tonhöhe, Lautheit und Dauer synchronisierte Klangmaterial.
Empirischer Meta Timbre Space
Wenn TS generell aussagekräftige Ergebnisse über die Ähnlichkeit von Instrumentalklangfarben liefern können, müssten gleiche Instrumente in jeder Studie in mehr oder weniger ähnlichen Regionen angesiedelt sein.
Basierend auf den gefundenen Unterschieden und vor dem Hintergrund der trotz der gleichen getesteten Instrumente sehr unterschiedlichen Testklänge, stellt sich nun die Frage, ob ein mit den Stimuli der verglichenen Studien empirisch ermittelter Meta Timbre Space ebenfalls ein heterogenes Bild zeichnet oder sich mit den Aussagen der einzelnen Studien in Einklang bringen lässt. Oder anders gefragt: Welchen Einfluss hat das verwendete Stimulusmaterial auf die Vergleichbarkeit und Allgemeingültigkeit von Timbre Spaces?
Folgende sieben Instrumente wurden getestet: Englischhorn, Fagott, Klarinette, Posaune, Streicher (Celli), Trompete, Waldhorn. Die verwendeten 24 Klänge waren die Originalstimuli aus den schon zuvor verglichenen Studien von Grey 1975 (mit 3 Celli und 2 Klarinetten insg. 10 Klänge) und Krumhansl 1989 (7 Klänge; McAdams et alii (1995) verwendeten dieselben Stimuli wie Krumhansl), sowie reale Instrumentalaufnahmen (7 Klänge), die dankenswerterweise von der Vienna Symphonic Library (VSL) zur Verfügung gestellt wurden. Die Tonhöhe der Stimuli war das eingestrichene Es (es', ca. 313 Hz).
Insgesamt nahmen 35 Vpn (w = 15; 19–72 Jahre, Ø = 30,9, SD = 13,3) an der Studie teil, wovon 24 Musiker, acht ehemals musikalisch aktiv und drei Nichtmusiker waren (Ø = 19,6 Jahre Erfahrung, SD = 14,2).
Ergebnisse
Es bestätigt sich das inkonsistente Bild des zuvor angestellten Vergleichs. Anstatt der zu erwartenden Instrumentencluster bilden sich klare Stimuli-Set-Cluster heraus. D.h. die innerhalb einer Studie verwendeten Stimuli sind sich klangfarblich untereinander ähnlicher als die gleichen Instrumente von Studie zu Studie. Dies ist im MTS daran erkennbar, dass sich die Klänge der Studie von Grey (GRY) ausschließlich in der rechten Bildhälfte finden, während die Klänge von Krumhansl/ McAdams et al. (KRH) überwiegend links verortet sind. Die natürlichen Instrumentenklänge (VSL) sind dagegen im gesamten Raum verteilt.
Publikationen
Siddiq, S., & Reuter, C. (2013). Klangfarbe in 3D – Lost in Timbre Space. Postersitzung präsentiert bei "Musik und Familie" - Jahrestagung 2013 der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (DGM), Frankfurt, Deutschland.
Siddiq, S. (2014). Timbre Space revisited: Was ist Fakt, was ist Mythos? in T. Grothe, & M. Kob (Hrsg.), Nuancen in der Musikalischen Akustik - Grenzgang zwischen Fakt und Mythos: Tagungsband zum Seminar des Fachausschuss Musikalische Akustik in der DEGA, Detmold 09.–10.11.2013 (S. 51-52).
Siddiq, S., Reuter, C., & Czedik-Eysenberg, I. (2014). Kein Raum für Klangfarben – Timbre Spaces im Vergleich. in Proceedings der 40. Jahrestagung für Akustik "Fortschritte der Akustik", DAGA 2014, 10.-13. März, Oldenburg (S. 56-57).
Siddiq, S., Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., & Knauf, D. (2015). Vergleichende Untersuchungen zu Timbre Space Studien. in Fortschritte der Akustik – DAGA 2015: 41. Deutsche Jahrestagung für Akustik (DAGA) (S. 811-813).
Siddiq, S., Reuter, C., & Czedik-Eysenberg, I. (2015). Zur Bedeutung von realen Instrumentalklängen für die Vergleichbarkeit von Klangfarben.. Postersitzung präsentiert bei "Musik und Wohlbefinden" - 31. Jahrestagung 2015 der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (DGM), Oldenburg, Deutschland.
Die physiologischen Korrelate von Instrumentalklangfarben
Vergleiche in verschiedenen Tonhöhen und Dynamikstufen
Viele Studien fanden übereinstimmend die gleichen Klangfarbenparameter (Schärfe, Einschwingzeit). Allerdings wurden Musikinstrumente in den meisten Studien auf jeweils einen einzigen Ton reduziert, sodass die Klangfarbenparameter folglich an Einzelklängen und nicht an Musikinstrumenten ermittelt wurden.
Studien mit mehr als einem Ton pro Instrument legen die Vermutung nahe, dass der virtuelle Raum in diesem Fall durch andere Klangparameter erklärt werden muss u.a. (Marozeau et al. 2003; Handel & Erickson 2004). Die Frage der hier vorgestellten Studie lautet demzufolge: Welche Klangeigenschaften sind die physikalischen Korrelate der Dimensionen eines perzeptiven Klangarbenraums? D.h. welche Klangparameter sind geeignet, die perzeptive Klangverteilung im virtuellen Raum auch physikalisch zu erklären? Darüber hinaus, mit Blick auf die Tatsache, dass auch hier nur Einzelklänge untersucht wurden, stellt sich folgende Frage: Welche dieser Klangparameter sind mitbestimmend für den Eindruck bzw. die Unterscheidung von Instrumentalklangfarben?
Im Hörversuch (Paarvergleich) wurden die subjektiven Unterschiede der verwendeten Instrumentalklänge ermittelt. Diese wurden in Unähnlichkeitsmatrizen gespeichert, welche anhand einer Ähnlichkeitsstrukturanalyse (Multidimensionale Skalierung, MDS) in eine räumliche Darstellung übertragen wurden. Zudem wurden die Klänge mithilfe der Möglichkeiten des Music Information Retrieval (MIR) auf ihre physikalischen Eigenschaften hin analysiert. Im MIR werden die Ausprägungen der verschiedenen Eigenschaften (Deskriptoren) der Klänge in numerischen Werten ausgedrückt. Um Zusammenhänge zwischen den Dimensionen des perzeptiven Raumes und den Deskriptoren offenzulegen, wurden die Korrelationen zwischen den Koordinatenvektoren der Raumdimensionen und der Wertetabellen der Deskriptoren berechnet
Ergebnisse
Ein Blick auf den 2D-Plot der ersten beiden Dimensionen offenbart, dass die Klänge entlang Dimension 1 offensichtlich nach ihren Tonhöhen sortiert sind. Die Verteilung von Bläsern und Cello entlang Dimension 2, sowie die Verteilung der Dynamik (Posaune) bzw. Tonhöhen (Holzbläser) innerhalb der Gruppen legt eine auf spektraler Energieverteilung basierende Ordnung nahe. Entsprechend korreliert Dimension 1 hoch mit Deskriptoren, die sich zur Beschreibung der Tonhöhe eignen. Dimension 2 korreliert mit Deskriptoren, welche die Energieverteilung des harmonischen Spektrums beschreiben: Brightness (r = 0,86; p < 0,000001), Spectral Rolloff (r = 0,72; p < 0,000001), Spectral Centroid (r = 0,62; p < 0,00001). Zudem korreliert Dimension 2 mit den nominellen Dynamikstufen der Klänge (r = 0,56; p < 0,0001).
Für die Dimensionen 3 und 4 sind die Zusammenhänge weniger deutlich ausgeprägt. Dimension 3 korreliert negativ schwach aber signifikant mit den Deskriptor First Attack Time, der die Einschwingzeit angibt (r = –0,32; p < 0,05). Für Dimension 4 sich keine aussagekräftigen Korrelationen.
Die Darstellung der Klangspektrogramme bzw. Wellenform entlang der einzelnen Dimensionen macht nicht nur die rechnerisch bereits gefunden Zusammenhänge sichtbar, sondern zeigt darüber Hinaus Beziehungen, die nicht durch geeignete Deskriptoren erfasst wurden. Dimension 1 ist erneut eindeutig als Dimension der Tonhöhe identifizierbar. Die Verschiebung spektraler Energieanteile zu höheren Frequenzen entlang Dimension 2 ist erkennbar. Die negative Korrelation von Dimension 3 und der gemessenen Einschwingdauer wird nicht nur in der abfallenden Tendenz der Werte im Plot deutlich, sondern zeigt sich auch Anhand der Wellenformen, wo rechts tendenziell steilere Flanken erkennbar sind als links. Der mit freiem Auge erkennbare Zusammenhang ist deutlicher als der statistische, da die „First Attack Time“ nur den Anstieg bis zum ersten Peak misst und daher für Unregelmäßigkeiten anfällig ist (vgl. z.B. VC_E4_ff oder KL_E5_ff).
Dimension 4 zeigt nur statistisch insignifikante Zusammenhänge mit den verwendeten Deskriptoren. Bei ausführlicher Inspektion der Spektrogramme, vor allem aber beim Abhören der Klänge in der entsprechenden Reihenfolge, zeigt sich, dass die begleitenden Nebengeräusche, also Rauschanteile wie Anblas- bzw. Bogenstrichgeräusche, entlang Dimension 4 tendenziell dominanter werden.
Vergleich multitonaler Stimuli
Obwohl die Verwendung realer Klänge im Vergleich zu (re-)synthetisierten Klängen einen Fortschritt bedeutet, bleibt der isolierte Klang ein musikalisch unübliches Szenario. Im gebundenen Spiel verändern sich die Eigenschaften: Transienten verlieren an Bedeutung, während spektrale Konstanten (z.B. Formanten), die über mehrere Töne deutlicher hervortreten, an Einfluss gewinnen. Hinzu kommen bei Einzelklängen nicht auftretende, typische Spielgeräusche wie z.B. Griff-, Klappen-, und Atemgeräusche, wobei diese stark situationsabhängig sind. Während sie im intimeren Solo- bzw. Ensemblespiel mitunter deutlich hörbar sein können, verlieren sie bei größerer Stimmbesetzung und orchesterüblichen Entfernungen (zum Publikum) relativ schnell an Bedeutung.
Im Hörexperiment wurde anhand kurzer Tonfolgen der Einfluss instrumententypischer Faktoren in den Vordergrund gerückt und untersucht, ob die perzeptive Identität von Musikinstrumenten bereits auf psychoakustischer Ebene entsteht. Hierdurch sollte die Tonhöhe als relevanter Einflussfaktor der Klangfarbe zwar erhalten bleiben, ihr Einfluss auf die subjektive Ähnlichkeit jedoch reduziert werden.
Die Verbindung mehrerer Töne zu einem Stimulus soll den Fokus weg von einzelklangbestimmenden Merkmalen hin zu klangverbindenden/instrumententypischen Merkmalen lenken. Als Stimuli werden arpeggierte vollverminderte Vierklänge verwendet. Jedes der getesteten Instrumente (Cello, Fagott, Flöte, Klarinette, Posaune) wird durch zwei Akkorde, jeweils im tieferen und höheren Bereich seines üblichen Tonumfangs abgebildet. Vollverminderte Akkorde wurden gewählt, da: (1.) sie harmonisch uneindeutig/vielseitig sind, wodurch der Einfluss von Harmonie- und Chromaeffekten minimiert werden soll und (2.) kleine Terzen noch den üblichen Intervallen entsprechen, die auf allen Instrumenten gegriffen werden können.
Ergebnisse
Es zeigt sich, dass die Tonhöhe dennoch ein starker Einflussfaktor bleibt. Bei Tonfolgen sind andere Faktoren entscheidend als bei Einzelklängen. So verliert z.B. die zeitliche Makrostruktur der Einzeltöne ebenso an Bedeutung wie Lautheitseinflüsse. Insgesamt zeigt sich aber ein vergleichbares Bild mit Dimension 1 als Dimension der Tonhöhe bzw. des harmonischen Spektrums, Dimension 2 als Dimension der Rauschanteile und Fluktuationen. Dimension 3 zeigt eine Verteilung gemäß musikharmonischer Verhältnisse. Dies könnte allerdings auch ein Artefakt der Stimuli sein. Dimension 4 lässt sich mitunter als Dynamikdimension verstehen.
Publikationen
Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., Siddiq, S., & Oehler, M. (2017). Formanten als hilfreiche Timbre-Deskriptoren für die Darstellung von Blasinstrumentenklängen. in Fortschritte der Akustik. DAGA 2017. 43. Deutsche Jahrestagung für Akustik (S. 190-193).
Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., Siddiq, S., & Oehler, M. (2018). Formant Distances and the Similarity Perception of Wind Instrument Timbres. 367-371. Beitrag in 15th International Conference on Music Perception and Cognition -
10th triennial conference of the European Society for the Cognitive Sciences of Music, Graz, Österreich.
Siddiq, S., Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., & Knauf, D. (2017). Timbre Space reloaded: Tonhöhe und Dynamik als Teil der Klangfarbenempfindung. in Fortschritte der Akustik – DAGA 2017: 43. Jahrestagung für Akustik (DAGA) (S. 194-197)
Siddiq, S., Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., & Knauf, D. (2018). Towards the physical correlates of musical timbre(s). in R. Parncutt, & S. Sattmann (Hrsg.), Proceedings of the ICMPC15/ESCOM10 (S. 411-415).
Siddiq, S., Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., & Knauf, D. (2018). Die physikalischen Korrelate von Instrumentalklangfarben. 1695-1698. Beitrag in DAGA 2018, 44. Deutsche Jahrestagung für Akustik, München, Deutschland.
Siddiq, S., Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., & Knauf, D. (2018). The (obvious) influence of pitch and dynamics on the perceptual dimensions of the timbre of musical instruments. in E. Thoret, M. Goodchild, & S. McAdams (Hrsg.), Timbre Is a Many-Splendored Thing (S. 67-68).
Einbeziehung des mentalen Konzepts „Musikinstrument“ in die Ähnlichkeitsurteile
In einer weiteren Studie wurde der Frage nachgegangen, inwieweit die Entstehung der perzeptiven Identität von Musikinstrumenten durch psychoakustische Merkmale gebildet bzw. behindert wird. Zudem sollte festgestellt werden, inwiefern die Präzision des Konzepts „Musikinstrument“ eine erlernte und überdies (musik-)kompetenzabhängige Fähigkeit ist.
In einer Gruppierungsaufgabe sollten Klänge verschiedener Orchesterinstrumente gemäß ihrer Instrumentenzugehörigkeit sortiert werden. Aus den Daten wurden individuelle Grauwertematrizen und daraus wiederum eine Ähnlichkeitsmatrix erstellt, die als Grundlage für die weitere Auswertung diente. Die Datenstruktur wurde mittels Clusteranalyse und multidimensionaler Skalierung (MDS) sowie deskriptiver Statistik analysiert.
Aus insgesamt 107 Teilnahmen konnten 41 verwendbare Datensätze gewonnen werden. Von diesen 41 Versuchspersonen (Vpn) im Alter von 19–78 Jahren (Ø = 42,7; SD = 16,9; w/m/d = 21/16/4) waren 26 Personen aktuell bzw. 7 ehemals musikalisch aktiv (Musiker(innen) = M; 3–50 Jahre Erfahrung; Ø = 20,1; SD = 11,5). Lediglich 8 Personen gaben an, nie musikalisch aktiv gewesen zu sein (Nichtmusiker(innen) = NM). Der Versuch wurde über ein eigens dafür entwickeltes Interface durchgeführt. Die Art des Abspielgeräts (Kopfhörer, Boxen, Ohrhörer, integrierte Lautsprecher) wurde erhoben, hatte allerdings keinerlei erkennbaren Einfluss auf die Daten.
Ergebnisse
Insgesamt lässt sich festhalten, dass M im Vergleich zu NM feinere Unterteilungen vorgenommen haben. M haben zwischen 5 und 15 Instrumente angelegt (Ø = 8,1, SD = 2,6), während NM zwischen 2 und 8 Instrumente (Ø = 3,6, SD = 1,99) angelegt haben. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass nur 7 NM den Test beendet haben. Heatmaps für M bzw. NM zeigen, welche Klänge am ehesten als zusammengehörig bewertet wurden. Implizit geht daraus hervor, welche Klänge am öftesten verwechselt wurden.
Die anhand der Heatmaps bereits anzunehmenden Gruppierungen werden im Dendrogramm der Clusteranalyse erkennbar. Es ist deutlich zu erkennen, dass fünf Cluster gefunden wurden. Da allerdings sechs Instrumente getestet wurden, wurden sechs Cluster erzwungen, wodurch das Querflötencluster sozusagen künstlich zweigeteilt wurde. Die Celloklänge sind ebenfalls exklusiv in einem Cluster vereint. Fagott, Horn und Posaune sind relativ gleichmäßig auf zwei Cluster verteilt, wobei sich der höchste Fagottklang (F5) ins ansonsten ebenfalls „reine“ Klarinettencluster „verirrt“ hat. Die beiden Fagott/Horn/Posaune-Cluster scheinen sich nach Oktavlage, also Tonhöhe aufzuteilen. In einem Cluster liegen alle Klänge ab B3 (Fagott) aufwärts, im anderen alle Klänge ab A3 (Horn) abwärts. Für Horn und Fagott liegt dies nahe am unteren Ende des ersten Formantbereichs von 300–500 Hz, beim Fagott zudem genau auf einer in der Literatur ziemlich übereinstimmend genannten Registergrenze (zusammengefasst bei Reuter 2002).
Die MDS-Konfiguration in vier Dimensionen (Stress-I (Kruskal) = .747) zeigt die im Dendrogramm sichtbaren Cluster sehr klar abgegrenzt auf der von Dimension 1 und Dimension 2 aufgespannten Ebene. Auf der von Dimension 3 und 4 aufgespannten Ebene scheinen die Klänge auf den ersten Blick chaotisch verteilt zu sein. Auffällig ist, dass sich die Querflötenklänge v.a. im I. Quadranten, die Klarinettenklänge dagegen v.a. im IV. Quadranten finden. Besonders das Horn, aber auch Fagott und Posaune sind auf Dimension 4 sehr homogen, während sie auf Dimension 3 sehr heterogen und jeweils in sich tendenziell in absteigender Tonhöhe sortiert sind. Das Cello hingegen ist auf Dimension 4 homogen und auf Dimension 3 gespreizt, wobei es ebenfalls tendenziell in absteigender Tonhöhe sortiert ist.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die aus bekannten, auf psychoakustischen Ähnlichkeiten beruhenden Hörexperimenten gewohnten Zuordnungsschwierigkeiten nicht erkennbar sind. Die urteilsbasierten Cluster bilden die verglichenen Musikinstrumente insgesamt überraschend gut ab. Da die Versuchteilnehmer(innen) in dieser Studie explizit zu Ähnlichkeitsurteilen vor dem Hintergrund der Instrumentenzugehörigkeit aufgerufen waren, liegt der Schluss nahe, dass vorhandene, erlernte mentale Konzepte von Musikinstrumenten, sofern aktiviert, die Bewertung von Instrumentalklängen beeinflussen bzw. dass die Identität von Musikinstrumenten nicht allein auf psychoakustischen Klangeigenschaften basiert.
Publikationen
Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., Siddiq, S., & Oehler, M. (2016). Instrumente statt Einzelklänge: Mehr Tonraum im Formant-Timbre-Space?.
Siddiq, S., Reuter, C., Czedik-Eysenberg, I., & Knauf, D. (2020). Zwischen psychoakustischen Ähnlichkeiten und mentalen Konzepten: Ein Experiment zur Gruppierung von Instrumentenklängen. in Fortschritte der Akustik. DAGA 2020: 46. Jahrestagung für Akustik, geplant für 16.–19. März 2020, Hannover (S. 653-656). Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA).
Literaturverzeichnis
Albersheim, Gerhard 1939. Zur Psychologie der Ton- und Klangeigenschaften. Unter Berücksichtigung der „Zweikomponententheorie“ und der Vokalsystematik. Straßburg (FR) [u.a.], Heitz & Co.
Bismarck, Gottfried von 1972. Extraktion und Messung von Merkmalen der Klangfarbenwahrnehmung stationärer Schalle. In: Mitteilung aus dem Sonderforschungsbereich 50 „Kybernetik“. München (DE).
Caclin, Anne; McAdams, Stephen; Smith, Bennett K.; Winsberg, Suzanne 2005. Acoustic correlates of timbre space dimensions. A confirmatory study using synthetic tones. In: JASA. Ausg. 118(1), S. 471–482.
Grey, John M. 1975. An exploration of musical timbre using computer-based techniques for analysis, synthesis and perceptual scaling. Stanford University, Center for Computer Research in Music and Acoustics, Report No. STAN-M-2.
Handel, Stephen; Erickson, Molly L. 2004. Sound Source Identification. The Possible Role of Timbre Transformations. In: Music Perception. Ausg. 21(4), S. 587–610.
Köhler, Wolfgang 1909. Akustische Untersuchungen I. In: Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft. Heft 4, Leipzig (DE).
Krumhansl, Carol 1989. Why is musical timbre so hard to understand? In: Nielzen, S.; Olsson, O. (Hrsg.). Structure and perception of electroacoustic sound and music. Amsterdam (NL), Elsevier, S. 43–53.
Licklider, Joseph C. R. 1951. Basic Correlates of the Auditory Stimulus. In: Stevens, Stanley Smith (Hrsg.). Handbook of experimental Physiology. New York (NY), Winley & Sons, S. 985–1039.
Marozeau, Jeremy; Cheveigne, Alain de; McAdams, Stephen; Winsberg, Suzanne 2003. The dependency of timbre on fundamental frequency. In: JASA. Ausg. 114(5), S. 2946–2957.
McAdams, Stephen; Winsberg, Suzanne; Donnadieu, Sophie; de Soete, Geert; Krimphoff, Jochen 1995. Perceptual scaling of synthesized musical timbres. Common dimensions, specificities, and latent subject classes. In: Psychological Research. Ausg. 58(3), S. 177–192.
Reuter, Christoph 2002. Klangfarbe und Instrumentation. Geschichte – Ursachen – Wirkung. Frankfurt/M (DE), Peter Lang.
Schumann, Karl Erich, 1929. Physik der Klangfarben. Bd. 2, Habilitationsschrift: Berlin. Korrekturfahnenabzug, 1940. Leipzig (DE), Breitkopf & Härtel.
Stumpf, Carl 1890. Tonpsychologie. Bd. 2. Stuttgart (DE), Hirzel.