Montag, 31. März 2025 – 16:45–20:00 Uhr – Hörsaal 1
Herzliche Einladung!
Programm
- 16:45 bis 17:00 Uhr: Birgit Lodes, Begrüßung und Einleitung
- 17:00 bis 17:45 Uhr: Vortrag Francesco Fontanelli
- 17:45 bis 18:15 Uhr: Diskussion, moderiert von Andrea Agresti
- Kurze Pause
- 18:30 bis 19:15 Uhr: Vortrag Jürgen May
- 19:15 bis 19:45 Uhr: Diskussion, moderiert von Martin Ringsmut
- Schlussworte
Vorträge
Francesco Fontanelli: Beethovens ‚Beziehungszauber‘: Satzverknüpfungsstrategien in den Skizzen zum Quartett Op. 127
Im Jahr 1983 katalogisierte Sieghard Brandenburg die umfangreiche Quellensammlung zum ersten „Galitzin-Quartett“ und regte eine Untersuchung an, die die in der Partitur gelösten oder verborgenen „kompositorischen Probleme“ offenlegen sollte. Das Studium der Skizzen hätte es vor allem ermöglicht, „die Frage nach der zyklischen Struktur von op. 127 erneut“ anzugehen. Die Viersätzigkeit des Es-Dur-Quartetts ist in der Tat das Ergebnis eines mühevollen Prozesses, in dem Beethoven verschiedene Möglichkeiten im Umgang mit Form und Inhalt erprobte: Verworfen, aber nicht gänzlich vergessen, greifen diese alternativen Ideen auf frühere Modelle zurück und prägen zugleich unser Verständnis seines Spätstils.
In meinem Vortrag konzentriere ich mich auf zwei sogenannte telescoped drafts bzw. synopsis sketches, in denen Beethoven die zentralen Achsen seines Projekts festlegte – darunter Themen, Tonarten, Tempobezeichnungen und die Anzahl der Sätze. Besonders bedeutsam ist die früheste dieser Skizzen aus dem März 1823, in der das Quartett op. 127 um das Spannungsverhältnis zwischen der Tonika Es und der neapolitanischen Stufe E organisiert ist. Dieses Konzept setzt sich in einem Entwurf für ein „mysteriöses Adagio“ in E-Dur fort, das ursprünglich nahtlos in das Finale übergehen sollte. Bislang als verloren geglaubt, ist es tatsächlich in zwei Quellen überliefert und offenbart Beethovens Bestreben, Übergänge zu schaffen, die ebenso fließend wie überraschend sind. Ähnlich erhellend ist ein weiterer Werkplan, in dem ein Allegro grazioso mit dem Titel La gaieté – ein Name, der sich in Kontratanzsammlungen des 18. Jahrhunderts findet – als zweiter Satz erscheint, gefolgt von einem Adagio, das dessen Hauptmotiv transformiert. In diesem stilisierten Gruppentanz lassen sich technisch-stilistische Merkmale erkennen, die in der Endfassung wiederkehren, etwa die zeitliche Statik und die Wiederholungen von Viertakt-Gruppen. Adorno beschrieb das „Rätsel“ des Quartetts op. 127 gar als „Bild einer Selbstbewegung“, während Birgit Lodes den ersten Satz in Sonatenform als Ausdruck einer „mythischen Zeit“ deutet, in der sich das Material scheinbar aus eigener Trägheit entfaltet. Zur Untermauerung dieser Interpretationen werde ich im letzten Teil meines Vortrags Entwürfen für das Adagio untersuchen, in denen Beethoven einen punktierten Bass und eine Hell-Dunkel-Harmonisierung einsetzt, die abwechselnd f-Moll und As-Dur verwendet. Auf diese Weise schuf er eine eindrucksvolle Verbindung zwischen dem langsamen Satz – abgeleitet von La gaieté – und den subdominantischen Klängen des ersten Satzes. In beiden Fällen handelt es sich um Verklärungen von Tänzen: süße oder melancholische Wiegenlieder, Sinnbilder eines Vergessens des Subjekts, eines Verlangens nach Transzendenz.
Jürgen May: „Beethoven“ und die „Zivilisierung“ des „ungezähmten Afrika“
Beethoven und seine Musik erfuhren im kolonialen Afrika unterschiedliche ideologische und politische Aneignungen. Insbesondere, wo der Anspruch auf weiße Vorherrschaft mit der behaupteten kulturellen Überlegenheit untermauert werden sollte, bediente man sich oftmals der Musik Beethovens, gewissermaßen als Beglaubigung der eigenen Ideologie. Dies manifestierte sich unter anderem in Veranstaltungen, Literatur und Film. Anhand von Beispielen aus Rhodesien/Simbabwe und Südafrika gibt der Vortrag Einblick in die vielfachen Verflechtungen Beethovens mit der kolonialen Geschichte des südlichen Afrika.