Defensio

15.12.2023 14:00

Anna Sanda, „Aufgeklärte Repräsentation auf der sakralen Bühne. Symbolisch-rituelle Formen liturgischer Musik in der Spätzeit des Bonner kurfürstlichen Hofes“

Freitag, 15. Dezember 2023, 14:00 Uhr – Institut für Musikwissenschaft, Seminarraum 1

Herzliche Einladung zur öffentlichen Defensio von Anna Eszter Sanda!

Die Verteidigung ihrer Dissertation Aufgeklärte Repräsentation auf der sakralen Bühne. Symbolisch-rituelle Formen liturgischer Musik in der Spätzeit des Bonner kurfürstlichen Hofes (Betreuerin: Prof. Dr. Birgit Lodes) findet am Freitag, den 15. Dezember um 14:00 Uhr im Institut für Musikwissenschaft, Seminarraum 1, sowie online über zoom statt. 

Für die Online-Teilnahme wird um Anmeldung unter anna.eszter.sanda@univie.ac.at gebeten.

Abstract der Dissertation

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation des ausgehenden 18. Jahrhunderts lassen sich im Hinblick auf die symbo­lischen Repräsentationsformen deutliche Zeichen eines Spannungsfeldes von Faszination und Entzauberung erkennen: Zwischen einem ‚Festhalten-Wollen‘ oder ‚Festhalten-Müs­sen‘ an Herrschaftssymbolen und symbolisch-rituellen Handlungs- und Kommunikations­weisen, die durch ihre „performative Kraft“ den gemeinsamen Konsens politischer Ent­scheidungen maßgeblich prägten und entscheidend konstituierten, jedoch zunehmend mit ironischer Distanz wahrgenommen wurden.

Diese Erkenntnisse liegen dem Konzept „aufgeklärte Repräsentation“ dieser Dissertation zugrunde, die anhand einer konsequent verfolgten ‚Bühnensymbolik‘ herausarbeitet, in welcher Weise die Bonner Hofkirche zur Bühne für die Inszenierung der Doppelrolle der geistlichen Kurfürsten wurde und dadurch der Herstellung einer symbolisch-rituellen Öffentlichkeit diente. Die methodische Herangehensweise begreift konkrete histo­rische Ereignisse zusammen mit ihrem zeremoniellen Aufführungscharakter als Gesamtgeschehen und betrachtet sie in ihrem normativen und zugleich performativen Vollzug. Die musikhistorische Dimension besteht dabei darin, dass die zentrale Frage nach den symbolisch-rituellen Formen der Herrscherrepräsentation in der Spätphase des Bonner Kurfürstenhofes (1774–1794) anhand des Notenbestandes vokaler Kirchenmusik untersucht wird, der unter den beiden letzten geistlichen Kurfürsten – Maximilian Friedrich und Maximilian Franz – in der Bonner Hofkirche verwahrt und nachweislich verwendet worden ist.

Die Ergebnisse der unternommenen Fallstudien lassen sich in folgenden zentralen Aspek­ten zusammenfassen:

(1) Die Herausbildung einer gleichsam hauseigenen Gattungstradition, die in ihrer liturgisch-musikalischen Fortführung in zwei kritischen Phasen – einmal beim Brand der Hofkirche 1777 und ein weiteres Mal beim Herrschaftswechsel 1784 – als symbo­lisches Bindeglied fungierte (Alma Redemptoris Mater-Vertonungen, Weihnachtsrituale). (2) Subtile symbolisch-rituelle Darstellungsweisen der familiären Zugehörigkeit sowie eine Anknüpfung an die habsburgische Frömmigkeitstradition am Bonner Hof (Georg Reutter d. J.: Leopolde Sancte Marchio, Leopoldsverehrung). (3) Die kreative, kompositorisch-sti­listische Hinwendung des italienischen Hofkapellmeisters Andrea Luchesi zur Tradition der süddeutsch-österreichischen Messvertonungen und ihrer rituellen Grundlagen (Luchesi: C‑Dur-Messe, Ritual der Messfeier) sowie (4) die Rezeption und Anwendung der latei­nischen Einstimmigkeit in der Bonner Kirchenmusikpraxis als symbolisches Zeichen von Distanz und Nähe (Choraltraditionen, Maximilian Franz’ Bischofsweihe).

Die Dissertation erschließt einen umfangreichen, bislang unerschlossenen Quellenbestand zur Geschichte des Alten Reiches im ausgehenden 18. Jahrhundert und leistet mit einem musikhistorischen Fokus einen Beitrag zum „allgemeinen Verständnis der rituellen Logik“ höfischer Kultur, indem sie die performative Rolle der Musik in dieser analytisch beleuchtet und im Hinblick auf weitere historisch-politische Dynamiken reflektiert. Mit diesen neuen methodischen Impulsen lädt sie dazu ein, das bislang vorherrschende Verständnis der politischen, sozialen und kulturellen Rolle der Sakralmusik des späten 18. Jahrhunderts am Bonner Hof und darüber hinaus zu überdenken.


Inhaltverzeichnis



https://ssc-philkultur.univie.ac.at/studium/doktorat/defensiones/

Ansicht des Residenzschlosses in Bonn vom Alten Zoll aus, 1792 – Stich von Johann Ziegler nach einem Aquarell von Lorenz Janscha (mit freundlicher Genehmigung des Beethoven-Hauses Bonn)