Historisch/systematisch/ethnologisch: die (Un-)Ordnung der musikalischen Wissenschaft gestern und heute

Barbara Boisits (Wien)

Ringvorlesung Musik Kultur Wissenschaft am 31. Oktober 2011

Ausgehend von allgemeinen Überlegungen im Anschluss an Michel Foucault über Sinnhaftigkeit und Funktion von Klassifizierungen werden einige musikwissenschaftliche Einteilungsversuche seit dem späten 18. Jahrhundert vorgestellt (darunter von Nicolas Etienne Framery, Philipp Spitta, Hugo Riemann, Arthur Wolfgang Cohn, Heinrich Husmann). Im Zentrum des Vortrags steht Guido Adlers Entwurf Umfang, Methode und Ziel der Musikwissenschaft, der eine Zweiteilung der Musikwissenschaft in einen historischen und einen systematischen Zweig vornimmt. Nach 1945 setzte sich die bekannte Dreiteilung durch, wobei aber vor allem das Verhältnis von Historie und Systematik immer wieder Anlass zu Diskussionen gibt. Alle drei Teilbereiche erhielten in den letzten Jahren durch die „New Musicology“ entscheidende Anregungen, die mitunter auch zu einer pragmatischen Aufteilung in weit mehr Teilbereiche führte (elf werden etwa in NGrove 2 genannt). 

Mitschrift der Vorlesung

Literaturhinweise

Barbara Boisits, "Ästhetik versus Historie? Eduard Hanslicks und Guido Adlers Auffassung von Musikwissenschaft im Lichte zeitgenössischer Theoriebildung", in: Barbara Boisits und Peter Stachel (Hg.), Das Ende der Eindeutigkeit. Zur Frage des Pluralismus in Moderne und Postmoderne, Wien 2000 (Studien zur Moderne 13), S. 89-108. (Scan)

Guido Adler, "Umfang, Methode und Ziel der Musikwissenschaft", in: Vierteljahresschrift für Musikwissenschaft 1 (1885), S. 5-20 (Scan)

Biographische Notiz

Studium der Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz (1989 Sponsion, 1996 Promotion). Seit 1991 Beschäftigung am Institut für Alte Musik und Aufführungspraxis an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, 1994–1999 Mitarbeiterin des Spezialforschungsbereiches "Moderne – Wien und Zentraleuropa um 1900" an der Karl-Franzens-Universität Graz, seit 1999 Mitarbeiterin der Kommission für Musikforschung (KMf). Lehraufträge und 2003/04 Gastprofessorin am Institut für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Musikwissenschaft, Ästhetik, öster- reichische Musikgeschichte, kulturwissenschaftliche Aspekte musikhistorischer Forschung.